Nebenwirkungen bei Senioren: Norwegen ändert Impfempfehlung Nach Meldungen über Nebenwirkungen und Todesfälle bei Personen über 80 Jahren: Norwegens Gesundheitsbehörde ändert Impfempfehlungen gegen Corona. Erste Impfung in Norwegen gegen das Coronavirus am 27. Dezember
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STOCKHOLM taz | Über 25.000 Norweger haben bislang die erste Dosis der Covid-19-Impfung mit dem mRNA-basierten Impfstoff von Biontech/Pfizer erhalten. Wie in den meisten europäischen Ländern priorisiert auch Norwegen die BewohnerInnen in Altenpflegeeinrichtungen. Nach ersten Meldungen über Nebenwirkungen und Todesfälle im Gefolge dieser Impfungen hat die Gesundheitsbehörde "Folkehelseinstituttet" (FHI) in dieser Woche jedoch ihre im Dezember veröffentlichten Impfempfehlungen geändert. Menschen mit "schwerster Gebrechlichkeit" wird jetzt von einer Impfung eher abgeraten. Das heißt, dass die Behörde in seltenen Fällen bei sehr alten Menschen zur Vorsicht rät, die Impfungen jedoch von der großen Mehrheit gut vertragen werden.

"Ärzte sollten nun sorgfältig überlegen, wer geimpft werden soll", erklärte Steinar Madsen, medizinischer Direktor bei der Arzneimittelbehörde "Legemiddelverket" am Donnerstag gegenüber dem norwegischen Rundfunk NRK. In ihrem ersten der ab jetzt regelmäßigen Wochenberichte über Corona-Impfungen wurden 29 Meldungen über Nebenwirkungen bewertet. Darunter sind 13 Todesfälle, 9 Meldungen über schwere und 7 über weniger schwere Nebenwirkungen. Darüber hinaus werden 10 weitere Todesfälle vom "Legemiddelverket" noch untersucht.

Alle Todesfälle ereigneten sich bei gebrechlichen Patienten in Pflegeheimen. Alle waren über 80 Jahre alt, einige über 90 Jahre. Laut Behörde kann es einen Zusammenhang mit der Impfung geben. "Es scheint, dass einige dieser Patienten so schwere Nebenwirkungen in Form von Fieber und Unwohlsein bekommen können, dass eine sehr schwere Krankheit noch schwerwiegender werden kann, was zum Tod führen kann", erläuterte Gesundheitsbehördenchef Madsen.

Er betonte gleichzeitig, dass tausende gebrechliche Personen ohne solche Folgen geimpft worden seien und die Berichte über Nebenwirkungen "nicht alarmierend sind". Mit den Covid-19-Impfstoffen sei "ein sehr geringes Risiko verbunden, mit einer kleinen Ausnahme für die gebrechlichsten Patienten". Darunter verstehe er Personen mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, Demenz, chronischer schwerer Lungenerkrankung und anderen schweren Krankheiten.

Impfstoffe kaum bei Älteren getestet

In einer Presseerklärung präzisierte das "Legemiddelverket", es sei "zu erwarten", dass es im zeitlichen Zusammenhang der Impfung von Menschen aus dieser Bevölkerungsgruppe zu Todesfällen komme. Bei Impfungen könne es immer allergische Reaktionen geben, "bisherige Erfahrungen deuten darauf hin, dass das bei mRNA-Impfstoffen häufiger der Fall ist". Damit sind die auch in Deutschland verabreichten Vakzine von Biontech und Moderna gemeint.

Die Studien, die der Zulassung der Impfstoffe zugrunde gelegen hätten, "umfassten sehr wenige Menschen über 85 Jahre": "Wir wissen daher wenig darüber, wie sich Nebenwirkungen auf die Ältesten auswirken." Es könne, so die Behörde, "auch nicht ausgeschlossen werden, dass unbekannte Nebenwirkungen auftreten können, wenn die Impfstoffe in großen Bevölkerungsgruppen eingesetzt werden".

In der aktualisierten Impfempfehlung des norwegischen FHI heisst es nun: "Für die überwiegende Mehrheit der älteren Menschen, die mit Gebrechlichkeit leben, werden alle Nebenwirkungen des Impfstoffs durch ein geringeres Risiko einer schweren Erkrankung an Covid-19 mehr als ausgeglichen. Für diejenigen mit der schwersten Gebrechlichkeit können jedoch selbst relativ milde Nebenwirkungen des Impfstoffs schwerwiegende Folgen haben. Für diejenigen, die eine sehr kurze Restlebensdauer haben, kann der Nutzen des Impfstoffs marginal oder irrelevant sein. Daher wird für sehr gebrechliche Patienten und unheilbar kranke Patienten ein sorgfältiges Abwägen von Nutzen und Nachteil der Impfung empfohlen."


Quelle: taz.de vom 20.01.2021